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Das Leben eines Bloggers

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Wie sieht der Alltag eines Bloggers aus? Lange schlafen, spät frühstücken und dann stundenlang im Web surfen und sinnlose Dinge tun?1 Zugegeben: Die Versuchung ist groß. Aber wer als Blogger ernst genommen werden möchte, muss genauso arbeiten wie ein (Freier) Journalist: professionell, diszipliniert und strukturiert.

Das Leben eines Bloggers (Bild: YouTube/pleatedjeans)

Sieht so das Leben eines Bloggers aus? (Bild: YouTube/pleatedjeans)

Der Vorteil eines vollzeitlichen Bloggers: Man hat die Freiheit alles zu tun, worauf man Lust hat. Der Nachteil: Man hat kein Geld. Was so banal klingt, spiegelt sehr gut zwei verschiedene Lebensformen wider: Da wären diejenigen, die auf Sicherheit setzen und daher ein geregeltes Einkommen bevorzugen. Festangestellte Journalisten, deren Arbeitszeiten von 9 bis 18 Uhr sind2. Und dann gibt es eben noch jene Sorte Mensch, der gerne frei darüber entscheiden möchte, was er wann macht. Kreative Künstler eben.

Die Herausforderung dabei: Sich nicht in den Weiten des Webs zu verlieren und beispielsweise ein sinnfreies YouTube-Video nach dem anderen zu schauen. Herausforderung Nummer zwei: Gute Themen finden und sie intelligent aufbereiten. Herausforderung Nummer drei: Bekanntheit steigern bzw. Reichweite erhöhen. Herausforderung Nummer vier: Irgendwann mit all der Arbeit Geld zu verdienen. Und da schließt sich dann der Kreis. Denn wer mit dem Bloggen ernsthaft Geld verdienen will, muss denken und arbeiten wie ein Journalist. Themen finden, Recherchieren, Produzieren (Schreiben/Sprechen/Filmen/Schneiden), Publizieren und Vermarkten. Das Weiterverbreiten in Sozialen Netzwerken und das Interagieren mit den Rezipienten (Lesern/Zuhöhrern/Zuschauern) darf dabei auch nicht zu kurz kommen. „Selbst ist der Checker Chef“ – und das von Anfang bis Ende. Positiv formuliert: Man ist Herausgeber, Verleger, Chefredakteur, Redakteur und Social Media Manager in einem. Negativ formuliert: Man muss sich in den verschiedensten Bereichen auskennen3 – und alles selbst machen. Das ist ne Menge Arbeit.

Das Ärgerliche dabei ist, wenn die Blogosphäre trotz aller Fortschritte nach wie vor nur belächelt wird. Ja, sie ist in Deutschland auch heute noch bei Weitem nicht so professionell wie in den USA. Ja, nur wenige Blogger können wirklich davon leben. Und ja, viele bloggen tatsächlich über äußerst banale Themen. Aber nein, Blogger sind nicht per se (Möchtegern-)Journalisten zweiter Klasse. Bloggen ist eine andere Form, andere Struktur, andere Lebensphilosophie. Und das haben viele Menschen noch immer nicht verstanden. Leider.

Das Kuriose dabei: Amerikanische Weblogs werden von deutschen (traditionellen) Medien munter mit den Newssites gleichgestellt, Huffington Post auf Augenhöhe mit CNN. Kaum werden deutsche Blogs zitiert, verschweigt man die Quelle – als müsse man sich dafür schämen. Beispiel gefällig: FAZ-Mitherausgeber Frank Schirrmacher bezeichnet in einem Artikel das Blog Netzwertig.com als „ein auf Medienökonomie spezialisiertes Portal“ – und gibt gegen Ende des Artikels freimütig die Wochenzeitung “Die Zeit” als Quelle an. Autor Martin Weigert zeigt sich völlig zu Recht empört darüber:

Dort schreiben Sie nicht etwa “fragt eine Wochenzeitung”, sondern Sie nennen sie beim Namen. Gleiches gilt an anderer Stelle hinsichtlich der von Ihnen zitierten Zeitschrift “The Baffler”. Genau die Art (…) zeigt die Kluft, die zwischen den implizierten Ambitionen des Qualitätsjournalismus, dem Leser verpflichtet zu sein, und der Realität besteht.

Was den klassischen Medienmachern bisher noch nicht gelungen ist, ist bei einem Großteil der netzaffinen Bevölkerung schon lange selbstverständlich. So erkennt auch Hannes Treichl auf seinem Blog andersdenken.at sehr treffend:

Menschen die im Internet surfen, unterscheiden kaum noch zwischen Webseite, News-Seite oder Blog.

Zugegeben: Das trifft noch lange nicht auf alle zu (und schon gar nicht auf die traditionelle Medienbranche!), zeigt aber, dass manche Blogger vorurteilsfrei auch ernst genommen werden können. Und genau das ist es, was ich mir wünsche: ernstgenommen zu werden – und nicht immer das Gefühl haben zu müssen, Journalist dritter Klasse zu sein4 – wenn überhaupt.


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